Politik
Witzenhausen zeigt Gesicht nach rassistischen Übergriffen gegen Flüchtlinge
Mahnwache für Zivilcourage
Respekt und Zivilcourage (Quelle: heldmann.photography)
GDN -
Kürzlich hat “Die Zeit“ eine Karte Deutschlands veröffentlicht, auf Orte markiert sind, an denen rassistische Übergriffe und Brandanschläge gegen Flüchtlingswohnungen begangen wurden. Nordhessen ist dort ein - erfreulicher - weißer Fleck. Doch inzwischen gab es auch dort Angriffe.
Am letzten Wochenende fand in der nordhessischen Stadt Witzenhausen das traditionelle Erntefest. Eine Gruppe von Flüchtlingen, die in der Stadt untergebracht sind, bedankten sich für die gute Aufnahme, indem sie beim Festzug mit einem Transparent mit liefen Abend im Festzelt erfolgte dann nach verschiedenen Medienberichten eine Provokation der dort feiernden Gruppe der Flüchtlinge. Deren Betreuer versuchte sich mit seinen Schützlingen zurückzuziehen. Die Angreifer folgten der Gruppe jedoch und griffen sowohl den Betreuer als auch einen der Flüchtlinge an und schlugen beide. Die gerufene Polizei konnte die Täter feststellen und erkennungsdienstlich behandeln. Sie ermittelt wegen eines “tätlichen Angriffs“, der Polizeisprecher betonte ausdrücklich, dass es sich nicht um eine Schlägerei gehandelt habe.
Deswegen wurde für dieses Wochenende eine Mahnwache für Zivilcourage organisiert. Mit einem dreitägigen Programm soll einerseits den Flüchtlingen klar gezeigt werden, dass sie in der Stadt willkommen sind, andererseits aber auch die sonstigen Einwohner Witzenhausens motiviert werden, selbst in ähnlichen Situationen aktiv zu werden. Dazu wurden sechs Tipps zusammengestellt, wie ohne Selbstgefährdung Menschen, die von anderen angegriffen werden, aktiv unterstützt werden können.
Der Magistrat der Stadt hat sich ebenfalls zur Mahnwache geäußert. In einer Erklärung heißt es, Witzenhausen sei weltoffen, gastfreundlich und tolerant. dank des ehrenamtlichen Engagements vieler Bürgerinnen und Bürger würden die “Menschen in den Gemeinschaftsunterkünften ein deutliches Zeichen des Willkommens erfahren.“ Unzweideutig erklärt der Magistrat: “Wir lehnen verbale und tätliche Übergriffe strikt ab und verurteilen diese nachdrücklich. Wir werden fremdenfeindliche oder rassistische Parolen nicht tolerieren. Wir erklären uns solidarisch mit den Flüchtlingen, mit allen Bürgerinnen und Bürgern der Stadt Witzenhausen und mit unseren Gästen aus der ganzen Welt: Der respektvolle Umgang miteinander schließt es aus, Menschen wegen ihrer Herkunft, ihrer Hautfarbe oder ihres Glaubens zu diskreditieren.“
Nun ist es relativ einfach, eine solche Erklärung abzugeben. Aber am ersten Tag der Mahnwache auf dem Marktplatz vor dem Rathaus wurde sichtbar, dass sie viel Substanz enthält. Gelegentlich sind es nur Kleinigkeiten, die aufhorchen lassen. So fiel auf, dass Bürgermeisterin Angela Fischer einige der anwesenden Flüchtlinge sogar persönlich mit Namen begrüßte. Allein die Tatsache, dass eine Reihe der in Witzenhausen lebenden Flüchtlinge an der Mahnwache teilnahmen, zeigt schon, dass es kein Klima der Angst sondern eher des Respekts in der Stadt gibt. Die Organisatoren der Mahnwache fotografierten die Teilnehmer auf Nachfrage für eine Fotowand unter dem Motto “Witzenhausen zeigt Gesicht“, dem Berichterstatter ist niemand begegnet, der sich diesem Anliegen verweigerte.
Neben Bürgermeisterin Fischer, die insbesondere dem Betreuer der Flüchtlinge für sein besonnenes und überlegtes Handeln beim Erntefest dankte, sprachen auch die hessische Landtagsabgeordnete Sigrid Erfurth (Bündnis 90/Die Grünen) und Pfarrer Frieder Brack, der vor allem diejenigen kritisierte, die sich als Bewahrer des christlichen Abendlandes aufspielten, aber genau die Werte, die dieses ausmachen, mit Füßen treten, indem sie Menschen wegen ihrer Herkunft oder Religion ablehnten oder gar angriffen. Auch der Landrat des Werra-Meißner-Kreises, Stefan G. Reuß, war am Stand der Mahnwache, um seine Unterstützung zu zeigen. Bis zum Sonntag sind eine Reihe weiterer Aktionen geplant, die vor allem dem Anliegen vieler dienen sollen, die sich eine Begegnung der “Altbürger“ und der Flüchtlinge wünschen. In vier Wochen wird der Magistrat gemeinsam mit den Flüchtlingen ein Wochenende der Toleranz in Witzenhausen gestalten. Man kann also getrost feststellen, auch wenn Witzenhausen auf der unrühmlichen Karte auftaucht, so hat diese Stadt nichts gemeinsam mit denen, die in letzter Zeit zum Synonym für Hass, Respektlosigkeit und Intoleranz geworden sind.
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