Politik
“Von der Sehnsucht nach der Volksgemeinschaft“ - Der Rassimus von Pegida
“Der Schoß ist fruchtbar noch “¦“
Pegida hat fertig (Quelle: Vista Images)
GDN -
“Pegida“ war ein Phänomen, das in seiner Wucht, vor allem, aber nicht nur in Dresden, Leipzig und Umgebung, überrascht hatte. Auch wenn sich die -gidas inzwischen selbst zer- und erledigt haben, ist die Wurzel des Übels noch längst nicht verschwunden.
Mit seinen Einladungen an berüchtigte Repräsentanten der neuen Rechten Europas, wie Geert Wilders (NED), Ignaz Bearth (SUI), oder dem gerne auf Internethetzseiten wie PI-News oder Thule-Netz zitiertem Dr. Alfons Proebstl versucht “Pegida“-Erfinder Lutz Bachmann die einst als angebliche Bewegung der Dresdner “Wutbürger“ gestartete Sammelbewegung neu zu definieren. Hatte das allmontägliche Spektakel in Dresden und Leipzig eine Zeitlang konstant wachsenden Zulauf und zu seinen Hochzeit fünfstellige Teilnehmerzahlen - wenn auch die angeblichen 30.000 und mehr seriösen Überprüfungen bei weitem nicht standgehalten haben -, so hat es sich inzwischen auf eine Rumpfgröße von Zwei- bis Dreitausend reduziert, die sich immer noch regelmäßig treffen, um ihre Wut auf alles Fremde, auf Politik und Medien rauszuschreien. Die Expansionsversuche auf andere Bundesländer oder gar über die Grenzen Deutschlands hinaus sind noch viel schneller gescheitert, wenn sie nicht ohnehin nur virtuell auf Facebook stattfanden.
Auch die gerne den rechten Rand abgreifende “Alternative für Deutschland (AfD)“ hat nach anfänglich geäußerten Sympathien bald Abstand genommen von dieser völkischen Sammlungsbewegung. In Hamburg ist Hooligan-Fan Tatjana Festerling (“Doch heute Abend ziehe ich meinen Hut vor den Hools“, schrieb sie nach der gewalttätigen Demonstration in Köln auf dem Hetzportal “Journalistenwtach“.) ihrem Parteiausschluss durch Austritt zuvorgekommen. In Hessen hat der Landesvorstand mit dem rechtskonservativen Sprecher Adam, der auf Bundesebene zu den Kritikern des eher liberal-bürgerlichen Lucke gilt, den Vorsitzenden seines Kasseler Kreisvorstands wohl so nachdrücklich aufgefordert, mehr Abstand vom örtlichen “Pegida“-Ableger “Kagida“ zu halten, wo er einige Wochen als Hauptredner auftrat, dass er dieses Engagement sang- und klanglos beendete. Und Michael Viehmann, “Kagida“-Organisator und Bachmanns Kneipenfreund, hat sich ebenfalls erzürnt aus der AfD verabschiedet. Beide, Festerling und Viehmann, haben übrigens inzwischen bei “Pegida“ so etwas wie Karriere gemacht. Viehmann ist in die “Deutschlandleitung“ aufgestiegen und soll die restlichen Ableger im Westen des Landes koordinieren, ist dabei allerdings ebenso erfolglos wie schon in seiner Heimatstadt Kassel, und Festerling wurde zur Kandidatin für die Oberbürgermeisterwahl in Dresden gekürt.
Dass “Pegida“ sich inzwischen der Instrumente des verhassten “Systems“ bedient, mag nur die verwundern, die diese Wutbürgerbewegung tatsächlich als “von unten entstanden“ begriffen hatten. Bachmann hat einen Verein gegründet, die Anerkennung als gemeinnützig beantragt, man will ja das “System“ nicht noch durch Steuerzahlung unterstützen, auch wenn die Gesellschaft allein in Dresden inzwischen rund drei Millionen Euros an Steuergeldern allein dafür aufbringen musste, um die “Pegida“-bedingten Polizeieinsätze zu zahlen. Er nutzt das Markenrecht, um all denjenigen, die seine Führerschaft nicht anerkennen, das Recht abzusprechen, unter dem Label “Pegida“ aufzutreten, so z.B. in Frankfurt a.M. der fundamentalistischen Christin Heidi Mundt. Und nun also auch noch eine Beteiligung an einer Wahl. Ein Versuchsballon für eine Parteigründung? Dazu würde es jedenfalls passen, dass Bachmann das Netz zu anderen rechtspopulistisch-rassistischen Parteien in der Schweiz, Österreich, Frankreich oder den Niederlanden knüpft.
Das alles wird am Charakter einer Splitterorganisation zwar nichts ändern, deswegen sollte allerdings die Gefahr einer solchen völkischen Bewegung trotzdem nicht unterschätzt werden. Denn nicht umsonst gab es in der Anfangsphase von “Pegida“ die Sorge, hier könnte eine mehr oder weniger schweigende Minderheit in eine Richtung kanalisiert werden, die die bisherigen Vereinbarungen unserer offenen und demokratischen Gesellschaft in Frage stellen könnten. Nicht umsonst gab es daher anfangs auch eine starke und insgesamt erfolgreiche Gegenbewegung. Und Tatsache ist auch, dass bisher eher versteckt geäußerte dumpfe Ressentiments zunehmend offener geäußert werden. Das geht hin bis zum unverhohlenen Verständnis für solche Angriffe auf Menschen anderer Nationalität wie beim Brandanschlag in Tröglitz.
Symptomatisch ist ein Kommentar auf der Facebookseite von Bundesjustizminister Heiko Maas, als dieser sehr schnell nach dem Brandanschlag eindeutig Position bezog. Ein Michael Sch. schreibt dort u.a., er sei “auf´s Land (gezogen,) um Ruhe und Frieden zu haben. Mich würden Flüchtlinge dort auch stören und mein Bestreben nach der Ruhe die ich haben will. “¦ Ist es denn als Deutscher eine Schande oder gar zu viel verlangt einen Ort zu finden wo man unter sich ist?“ Einmal davon abgesehen, dass es für viele dieser angeblich die deutsche Kultur verteidigenden Facebookkommentatoren typisch ist, dass sie erhebliche Probleme mit der deutschen Rechtschreibung, Grammatik und Interpunktion haben, steckt in diesem Kommentar der Kern dessen, was sich auch bei “Pegida“ ausdrückt: Die Sehnsucht nach einer “heilen Welt“, in der alles und alle Fremde stören. Anders ausgedrückt: Die Sehnsucht nach der heilen Volksgemeinschaft, einem “Deutschland für (Bio-)Deutsche“.
In einer Veranstaltungsreihe beleuchten das “Bündnis gegen Rechts“ und das “MBT Hessen e.V.“ in Kassel Hintergründe des scheinbaren Erstarkens neorechter Bewegungen und menschenfeindlicher Ressentiments. Volkmar Wölk lebt in Sachsen und hat “Pegida“ in Dresden und Leipzig von Beginn an beobachtet. Er befasst sich schon seit Jahrzehnten mit der extremen Rechten in Deutschland und Europa und gilt als einer der profundesten Kenner dieser Szene. In der Veranstaltung “Kreuzritter für das Abendland“ versuchte er eine politische Einordnung dieses nur scheinbar neuen Phänomens. Auch wenn Wölk vermutet, dass die Macher von “Pegida“ und Co. kaum einen fundierten ideologischen Unterbau haben, lässt sich die Grundhaltung auf Carl Schmitt zurückführen. Schmitt sorgte als politischer Philosoph für Rechtfertigungen der nationalsozialistischen Ideologie und wirkte während des Faschismus als “Kronjurist des Dritten Reichs“. Von ihm stammt das Prinzip, nach dem auch “Pegida“ und ähnliche Gruppen ihre Feindbilder konstruieren: “ Es ist nicht entscheidend, ob der Feind wirklich böse ist, sondern er ist der Feind, weil ich ihn dazu erkläre.“
Wölk betonte mit Blick auf die “Erfurter Erklärung“ des rechten Flügels der AfD, dass die Nähe, die viele AfD-Funktionäre zu “Pegida“ suchen, nicht überrascht. Viele Thesen aus dieser Erklärung sind inhaltlich kompatibel zu den diversen Thesenpapieren der völkischen Bewegung. Noch tiefer gehend sei aber für “Pegida“-Anhänger die grundsätzliche Ablehnung der konstitutionellen Grundlagen unserer Gesellschaft, für die sie einerseits die Parteien und andererseits die von ihnen als “Lügenpresse“ diffamierten freien Medien verantwortlich machen. Religionsfreiheit für alle Religionen wird abgelehnt (“gegen die Islamisierung“), Gleichberechtigung der Geschlechter wird als “Genderismus“ diffamiert. Meinungsfreiheit bedeutet aus ihrer Sicht zwar das Recht, ihre Meinung zu vertreten, jede kritische Auseinandersetzung damit wird dagegen als “Angriff auf die Meinungsfreiheit“ empfunden. Die konstitutionelle parlamentarische Demokratie wird mit Hinweis auf den angeblichen “Parteienstreit“ abgelehnt; schon in der Weimarer Republik diffamierten Rechtsextremisten das Parlament als “Schwatzbude“.
Volkmar Wölk sieht drei Bewegungen, aus denen sich “Pegida“ bedient habe: 1. Die English Defense League mit enger Verbindung zu Hooligans und Rockergruppen (die “Pegida“-Ordner stammten zumindest anfangs aus dem Umfeld der Althooligans von Dynamo Dresden, auch die OB-Kandidatiin Festerling hat ihre Sympathien zu Hooligans mehrfach begründet; Lutz Bachmann hat gute Verbindungen zum Dresdner Rotlichtmilieu, das seinerseits unter der Kontrolle der Hells Angels stehe), 2. die französische “La Manif Pour Tous“, eine Massenbewegung gegen gleichgeschlechtliche Partnerschaften, die in Deutschland von den Medien des rechtsideologischen Kopp-Verlags ebenso gefeiert wurde wie von den “Besorgten Eltern“, einer fundamentalistischen Gruppierung, die sich gegen Sexualkundeerziehung in den Schulen wehrt; 3. der “Identitären Bewegung“, der z.B. Melanie Dittmer, eine Gallionsfigur der Neurechten in Nordrhein-Westfalen und gescheiterte “Bogida“ (Pegida Bonn)-Organisatorin, nahe steht. Wenn man sich heute die Rumpfveranstaltungen von “Pegida“ und ihren wenigen verbliebenen Ablegern außerhalb Dresdens, wie etwa “Kagida“, ansieht, sind die Teilnehmer wieder auf dieser Ursprungsgrößen geschrumpft. So sieht man dort regelmäßig die Fahnen der “German Defense League“. Neben einigen lokalen Angehörigen der rechtsextremen Szene gehören Hooligans und Rocker nach wie vor zu denen, die das Bild der montäglichen Treffen prägen.
Übrigens, auch der bereits erwähnte “Kagida“-Führer und Bachmann-Kumpel Viehmann ist maßgeblich in Rockerclubs mit Nähe zu den Hells Angels sozialisiert worden. Ähnliche Werdegänge haben, so Wölk, viele der Hintermänner von “Pegida“. Lutz Bachmann, der als Kleinkrimineller im Umfeld des Rotlichtmilieus Karriere gemacht hat ebenso wie Siegfried Däbritz, der einst aus dem Hooliganumfeld kam und heute bei “Pegida“ für den Ordnerdienst verantwortlich ist. Frauen spielen in dieser Szene, passend zur Ablehnung der “Genderisierung“ nur eine untergeordnete Rolle. Bachmann hat sich zumeist mit ihnen überworfen, wenn sie Führungsrollen übernehmen (wollen), wie mit Kathrin Oertel in Dresden, Heidi Mundt oder Melanie Dittmer. Dass mit Tatjana Festerling eine Frau als OB-Kandidatin nominiert wurde, widerspricht dem Grundsatz nicht, sondern dürfte vor allem wahltaktische Ursachen haben.
Wie bereits erwähnt, kommen einige der Akteure von “Pegida“ aus dem Umfeld der Hooliganszene. Daher beschäftigte sich die zweite Veranstaltung des MBT unter dem Titel “Von Hogesa bis Pegida“ stärker mit diesem Aspekt. Der Journalist und Autor Christoph Ruf gilt als profunder Kenner der Fußball-Fanszene. Für den Gelegenheitsfans sind die Unterschiede zwischen den verschiedenen Gruppen, auf der einen Seite die rechtsextremen Hooligans, auf der anderen Seite die Ultras, kaum zu erkennen. Doch, so Ruf, sie sind markant. Natürlich gebe es “Leute, die zum Fußball gehen, weil man sich da wie ein Vollidiot benehmen kann“, merkte der Journalist an. Doch gerade die Ultras seien bei vielen Vereinen alles andere als saufende und gröhlende Dumpfbacken. Zwar gebe es durchaus begründete Kritik, etwa wegen der Verwendung von Pyrotechnik (“Bengalos“) und gelegentlicher Gewalttätigkeit, doch diese richte sich in der Regel nicht gegen unorganisierte Fußballfans sondern eher gegen Ultragruppen konkurrierender Vereine.
Der Aufstieg der Ultras sei zeitlich parallel mit dem Niedergang der Hooliganszene einhergegangen. Doch zuletzt haben die Hooligans sich neu formiert. Dabei gehe es ihnen zum einen darum, die “Hoheit über die Fankurven“ von den Ultras zurück zu gewinnen. Auf der anderen Seite haben sie sich aber auch jenseits von Fußball und vereinsübergreifend in das politische Geschehen eingeschaltet. Die gewalttätige Demonstration in Köln im Herbst 2014 war der in der Öffentlichkeit wahrgenommene Höhepunkt.
Es hat jedoch auch zuvor schon Aktionen unter dem Label “Hooligans gegen Salafisten (Hogesa)“ gegeben, so die Störung einer Veranstaltung mit Pierre Vogel und eine Kundgebung im September 2014 in Dortmund gemeinsam mit der Partei “Die Rechte“, der auch Melanie Dittmer zugerechnet wird, und dem Altnazi “SS-Siggi“ Borchert sowie weiteren Mitgliedern der starken rechtsextremen Szene Dortmunds. Nach den Großveranstaltungen in Köln und kurz darauf in Hannover scheint “Hogesa“ seinen Zenit ebenso überschritten zu haben wie “Pegida“, von denen sich Teile der Hooligans allerdings inzwischen abgesetzt haben.
In einer ausführlichen Stellungnahme auf der “Hogesa“-Homepage unter dem Titel “Pegida die Wahrheit“ wird, ganz in verschwörungstheoretischer Manier, unterstellt, “Pegida“ sei staatlich gesteuert und diene dazu, angeblich berechtigte Proteste in einer Form zu kanalisieren, die letztlich wirkungslos bleibe. “Nichtsdestotrotz halten wir von eurer Bewegung nichts, weil sie vom Staat geschaffen ist und wir, wie gesagt, ein Problem mit dem Staat und diesem System haben.“, lautet das Resümee. Stattdessen habe man sich “Endgame“, einer Bewegung “gegen die Amerikanisierung des Abendlandes“ zugewandt. Diese, stark aus der verschwörungstheoretischen Szene, dem rechten “Friedenswinter“ und der “Querfront“ um Jürgen Elsässer beeinflussten Versuchen, eine weitere völkisch-nationalistische Bewegung zu etablieren, ist nach zwei Versuchen in Erfurt und Halle allerdings auch gescheitert.
Andere Teile der Hooligans sind dagegen nach wie vor im Umfeld von “Pegida“ und der sonstigen nationalistisch-rechten Szene aktiv. Sie firmieren jetzt unter dem Label “GESIWISTA - Gemeinsam sind wir STARK!“ und bezeichnen sich nach gewohntem Muster als “deutsche Bürgerbewegung“. Christoph Ruf sieht Bestrebungen, sich als eine Art “SA“ der rechten Szene zu etablieren. Bei einer “Legida“-Demonstration (Pegida Leipzig) konnten solche Versuche beobachtet werden. Unter den Augen der Polizei, die dabei, wie zahlreiche Video- und Fotodokumentationen belegen, untätig blieb, wurden unliebsame Journalisten von Hooligangruppen attackiert.
Zu welchem Zwischenresümee führt das nun? Einerseits kann man attestieren, dass “Pegida“ und Co. als Versuch einer Massenbewegung, die das “System“ umzugestalten gedachte, gescheitert ist. Außer in Dresden gibt es keine relevanten Auftritte mehr. Daran ändern auch die eingangs geschilderten Versuche, prominente Vertreter anderer rechtsextremer/rassistischer Parteien als Redner einzuladen, nichts, wie die aktuelle Veranstaltung mit Geert Wilders gezeigt hat. Auch die Versuche des “Pegida“-Führers Lutz Bachmann selbst, durch eigene Anwesenheit der siechenden Bewegung außerhalb Dresdens neues Leben einzuhauchen, dürfte erfolglos sein. Am kommenden Samstag will er das in Kassel bei seinem Kumpel Michael Viehmann, mit dem er, wie Viehmann auf seiner Facebookseite stolz veröffentlichte, gemeinsam mit weiblicher Begleitung das Dresdner Nachtleben erkundete, versuchen und, so ist es angekündigt, bei “Kagida“ reden. Auch wenn statt der, wie zuletzt 20-30 Teilnehmer aus der rechten Szene dann wegen des Neugierdeeffekts einige mehr kommen sollten, wird das an der Irrelevanz dieser montäglichen Minikundgebungen nichts ändern.
Andererseits muss man aber auch feststellen, dass sich das politische Klima im Land verändert hat. Bisher auf rechtsextreme Zirkel, Stammtische und andere eher nichtöffentliche Treffen beschränkte fremdenfeindliche, rassistische, antisemitische und deutschnationale Parolen werden unter dem Credo: “Das muss man doch mal sagen dürfen!“ zunehmend auch öffentlich geäußert. Besonders beliebt sind dabei Kommentarspalten, möglichst anonyme, der verhassten “Systemmedien“ und die - in diesem Fall eher un - sozialen Medien. Das führt dann, wie das oben zitierte Beispiel als eines von ungezählten anderen belegt, zur verbalen Verteidigung und Vorbereitung menschenfeindlicher Angriffe insbesondere auf Flüchtlinge, aber auch zu Mordaufrufen und -drohungen gegen Politiker. “Frau Merkel, man sollte dich steinigen du Vieh“, hatte “Kagida“-Führer Viehmann auf seiner Facebookseite gepostet. “ich hoffe das bald hier eine Revolution ausbricht und dem ganzen Deutschen Politpack der Schädel eingeschlagen wird“, schreibt er weiter - Rechtschreibung wie im Original. Da er bei der Gelegenheit auch noch von “Judenpack“ fabulierte und meinte, “der Großteil der Deutschen (würde) wieder Juden hassen aber richtig“, hat die Kasseler Staatsanwaltschaft Ermittlungen aufgenommen; über das Ergebnis ist nichts bekannt.
Während sich Kanzlerin Merkel wieder einmal als sehr instinktsicher gezeigt hat, als sie in ihrer letzten Neujahrsansprache klar auf Distanz zu “Pegida“ gegangen war, meinten andere Politiker, wie SPD-Vorsitzender Gabriel oder Sachsens Innenminister Ulbig, sich bei den vermeintlich “besorgten Bürgern“ anbiedern zu müssen. Auch diese Politiker dürften allerdings inzwischen gemerkt haben, dass die Wutbürgerveranstaltungen kein Feld sind, auf dem sie punkten können, sondern dass sie vielmehr den menschenfeindlichen Bestrebungen - ungewollt, darf unterstellt werden - zur Rechtfertigung gedient haben. Es gehört aber auch zur Wahrheit, dass “Pegida“ und “Hogesa“ Themen gesetzt haben, die zumindest von einigen Politikern aufgegriffen wurden.
Der positive Effekt des letzten gut halben Jahres ist jedoch, dass eine bisher eher schweigende Mehrheit der Zivilgesellschaft begonnen hat, sich klar für eine weltoffene und menschliche Gesellschaft, die die Würde aller Menschen schützt, zu artikulieren. Es gab zahlreiche große Demonstrationen und Kundgebungen, teilweise, wie in Marburg oder Wiesbaden, ohne einen konkreten “-gida“-Anlass und oft, wie etwa in Frankfurt, Kassel und vielen anderen Städten, als Gegenpol dazu. Und es gibt unzählige Initiativen von Gruppen und Einzelpersonen, die sich darum bemühen, das Miteinander der Menschen in Deutschland zu fördern und Flüchtlinge und andere Zuwanderer zu unterstützen. Zu beobachten ist, dass in dem Maße, wie die öffentliche Aggression lauter wird, auch diese Menschen ihre Stimme lauter erheben, selbstbewusster in ihrem Auftreten für Menschlichkeit sind. Wenn sich dies zu einem breiten gesellschaftlichen Konsens entwickelt, der von den politischen Parteien und Institutionen sowie den öffentliche Stellen aktiv gefördert wird, hatte die völkische “Pegida“-Bewegung sogar etwas Gutes. Aber es lohnt sich, weiterhin aufmerksam zu bleiben, denn Bertold Brechts Satz gilt auch heute noch: “Der Schoß ist fruchtbar noch, aus dem das kroch.“
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