Politik

Die -“gida“-Proteste in Kassel - Eine Expertise des MBT Hessen

Keine “besorgten Bürger“


"Kagida" Marsch in Kassel (Quelle: Vista Images)
Typischer Teilnehmer bei "Kagida"
(Quelle: Vista Images)
GDN - GDN hat wiederholt über den Kasseler Ableger von “Pegida“ berichtet und darauf hingewiesen, dass es sich bei den Teilnehmern nicht um die angeblichen “besorgten Bürger“, sondern zum überwiegenden Teil eine Melange vom äußerst rechten Rand handelt.
Eine jetzt vom MBT Hessen, dem Mobilen Beratungsteam gegen Rassismus und Rechtsextremismus - für eine demokratische Kultur e.V., vorgelegte Expertise bestätigt unsere Beobachtungen. Viele der Teilnehmer stammen von außerhalb, darauf verweisen ja auch die “Kagida“-Organisatoren regelmäßig. Und sie repräsentieren das gesamte Spektrum rechtsextremer Organisationen unterschiedlicher Provenienz. Das MBT betonte gegenüber GDN, dass es sich nicht um eine wissenschaftliche Studie handelt, sondern eine Expertise. Da die Teilnehmer der diversen “Pegida“-Ableger in der Regel wenig auskunftbereit gegenüber Medien und Dritten sind, kann ein Bild der Teilnehmerstruktur am sinnvollsten durch Beobachtung der Veranstaltungen erstellt werden.
Michael Viehmann
Quelle: Vista Images
Im Folgenden zitieren wir auszugsweise aus der Expertise: “Nachdem schon die Hooliganaufmärsche in Köln und Hannover (“Hogesa“) mit Kasseler Beteiligung stattfanden, gründete sich auch hier eine eng am Dresdner Vorbild orientierte Demonstration. Der Organisator von Kagida, Michael Viehmann, war an beiden Hogesa- Aufmärschen beteiligt und rief via facebook zu diesen auf. Während Hogesa eindeutig dem Hooligan- und Neonazispektrum zuzuordnen war, ist die Beteiligung an Kagida zwar gemischter, aber immer noch mit einem wesentlichen Anteil aus dem eindeutig rechtsradikalen Spektrum. “¦ Inhaltlich orientiert man sich sehr stark an Pegida (“Patriotische Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes“) in Dresden. Eindeutig neonazistische Inhalte werden in Kassel, im Gegensatz zu manch anderer “gida“- Demonstration vermieden. Stattdessen werden den Teilnehmenden regelmäßig Papiere von Pegida (19- bzw. 6-Punkte-Papier) vorgelesen und Gastredner eingeladen, die zum Teil sowohl bei Hogesa als auch bei Pegida öffentliche Auftritte hatten.
Manfred Mattis, AfD Kassel
Quelle: Vista Images
Im Gegensatz zu Dresden gelingt es Kagida aber nicht, eine wachsende Anzahl Kasseler Bürgerinnen und Bürger zu mobilisieren. Und im Gegensatz zu Dresden, wo tatsächlich eine bedeutende Mehrheit aus dem bürgerlichen Spektrum stammt, gelingt auch dies in Kassel nicht. Die AfD, unter anderem in Person von Manfred Mattis, dem Sprecher des Kreisverbandes Kassel, beteiligt sich seit dem 1. Dezember 2014 an den Protesten in Kassel “¦ Inwiefern man sich tatsächlich inhaltlich einig ist, erscheint angesichts der von Kagida vorgetragenen Forderungen (z.B. zur Flüchtlingspolitik) sehr zweifelhaft. Zwar finden sich Schnittstellen zur extremen Rechten, etwa die Forderung, einer “Null-Toleranz-Politik gegenüber straffällig gewordenen Asylbewerbern und Migranten“. Aber weder entspricht es dem Parteiprogramm der NPD noch den Vorstellungen von Freien Kameradschaften, z.B. mehr Sozialarbeiter für Flüchtlingsheime anzustellen, um nur eine der wohl bewusst harmlos formulierten Forderungen zu zitieren, mit denen sich (Pe)-gida offiziell vom äußersten rechten Rand abzugrenzen versucht. Dies ist aber unserer Einschätzung nach recht typisch für den modernen Rechtspopulismus, der in den letzten Jahren häufig als “Bürger - und Protestbewegungen“ getarnt (z.B. “Pro - Parteien“, Identitäre, PI-News), seinen Ausdruck gefunden hat. Ideologisches Konzept rechtspopulistischer Bewegungen ist die Neu - und Umformulierung klassischer rechtsradikaler Grundpfeiler und Positionen. Das Ziel ist zum Einen, Anhängerschaft aus der “bürgerlichen Mitte“ über das Funktionalisieren von Sorgen und Ängsten zu gewinnen, sowie das Abrufen von menschenverachtenden Meinungen aus der Mitte der Gesellschaft, als auch die Verortung in die “Neue Rechte“, eine Strömung der extrem rechten Szene, die sich von den “Traditionalisten“ abzugrenzen versucht.
Kasseler Hooligans auf dem Weg zu "Kagida"
Quelle: Vista Images
Rassismus wird in neurechten Bewegungen als “Ethnopluralismus“ definiert. “¦. Alexander Häusler von der Fachhochschule Düsseldorf spricht in diesem Zusammenhang von einer “perfide[n] Spielform des politischen Mimikry [“¦]: Demokratiefeindlichkeit inszeniert als bürgerschaftliches Engagement“. Hört man den Reden in Kassel zu, so fällt der stark populistische, nationalistische und nach rechts außen offene Ton auf (nur als Beispiel: “Ich habe nichts gegen Ausländer, aber“¦“), immer wieder ist von “wir“, “unsere Sitten“, “Deutschland“, “Volk“ die Rede, ohne diese Begriffe näher zu beschreiben. Dass es Teilen von Kagida nicht reicht, das Protestritual gewaltfrei durchzuhalten, wurde am 22.12. offensichtlich, als eine etwa 20-köpfige Gruppe junger Männer auf der Friedrich- Ebert-Straße eine kleine Gruppe von Gegendemonstrant*innen unter “Hooligan!“-Rufen körperlich angriff.“ In diesem Zusammenhang eine Anmerkung von GDN: Auch auf der Facebookseite von “Kagida“ häufen sich zuletzt die Apelle, physisch gegen die “Antifa“ und andere vorzugehen. Vorgeschlagen wird, Hooligans als eine Art Begleitschutz zu etablieren. Zwar werden solche Posts in der Regel zügig gelöscht, uns liegen jedoch eine Reihe entsprechender Screenshots vor.
Daniel Lachmann, NPD Hessen, bei "Kagida"
Quelle: Vista Images
Weiter mit der Expertise: “Die gesellschaftliche Sprengkraft, die in Sachsen sicherlich gegeben ist, ist in Kassel bei weitem nicht erreicht. Kagida wächst nicht - in der letzten Woche hatte sich die Teilnehmendenzahl im Vergleich zur Vorwoche halbiert (Anmerkung von GDN: und in dieser Woche noch einmal um ein Drittel reduziert), was sicherlich nicht nur am schlechten Wetter lag. Der Neonazianteil ist an jedem einzelnen Montag bei weitem höher als in Dresden, was für fast alle Städte in Deutschland gilt, in denen -“gida“-Proteste stattfinden.“ Auch unseren Reportern waren bereits einige eindeutig dem rechtsextremen Organisationsspektrum zuzuordnende Personen aufgefallen. So waren bei der ersten Kundgebung mit Daniel Lachmann und Stefan Jagsch zwei Spitzenfunktionäre der hessischen NPD unter den Teilnehmern. Auch später hatte die NPD Hessen wiederholt zur Teilnahme an “Kagida“ aufgerufen. Mit der stellvertretenden Vorsitzenden des Kasseler Vereins “Sturm 18“, Diana W., und Rene Sch., einem Führer der Kameradschaft Eichsfeld, haben andere bekannte Vertreter des rechtsextremen Spektrums wiederholt an den Kundgebungen teilgenommen. Mit Andreas K.-Sch. hat ein Repräsentant der “Kameradschaft Freier Widerstand“ regelmäßig als Ordner bei “Kagida“ amtiert und allein damit den Bekundungen Viehmanns, “hier gibt es keine Nazis“, widerlegt. Das MBT kommt in seiner Expertise zur gleichen Feststellung und schreibt:
Szenetypische Kleidung
Quelle: Vista Images
“Ein sehr großer Teil der Personen, die sich montags beteiligt haben, kam von außerhalb entweder mit dem Zug oder einem PKW angereist. Neben Teilnehmer*innen, die keiner Neonazi - bzw. rechten, nationalkonservativen oder rassistischen Gruppierung zugeordnet werden konnten, waren Personen, die in folgenden Gruppierungen oder Kreisen sind bzw. an diesen beteiligt waren: - Kameradschaft Freier Widerstand Kassel - Kameradschaft Sturm 18 Kassel - Kameradschaft Eichsfeld/NPD Eichsfeld - Unorganisierte Neonazis (mit einschlägigen Internetauftritten) - Teilnehmende von HOGESA in Hannover und Köln - AfD (Kassel, Hildesheim) - NPD (Wetterau, Hersfeld-Rotenburg, Eichsfeld) - Identitäre Bewegung - Rechtsradikale Hooligans und Fans des KSV Hessen Kassel - PI-News (Anmerkung von GDN: Ein PI-News Transparent wird regelmäßig vor den Rednern ausgelegt und an prominenter Stelle bei den “Spaziergängen“ mitgeführt) - sog. Reichsbürger Bemerkenswert erscheint dem MBT, dass zum ersten Mal seit 1998 anlässlich der Ausstellung “Vernichtungskrieg - Verbrechen der Wehrmacht“ Neonazis aus dem gesamten Bundesgebiet zusammen mit Bürgerinnen und Bürgern auf der Straße für ein gemeinsames Anliegen demonstrieren. Alleine diese Tatsache sollte bedenklich stimmen, ohne Kagida denselben Stellenwert einzuräumen, den Pegida in Dresden hat.“
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