Politik

Wer einmal lügt “¦ oder: Warum sollte man Udo Ulfkotte heute glauben?

Ulfkotte spricht bei AfD-Empfang


Ulfkotte: Der gekaufte Journalist (Quelle: heldmann.photography)
Udo Ulfkotte bei der AfD
(Quelle: heldmann.photography)
GDN - Früher war er, nach eigenen Worten, ein “korrupter“ Journalist, heute geriert er sich zum Aufklärer. Udo Ulfkotte, der seine Bücher im dubiosen Kopp-Verlag publiziert, war am Sonntag Hauptredner beim Neujahrsempfang der Partei “Alternative für Deutschland“ in Kassel.
Ulfkotte und AfD-Sprecher Mattis
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Er ist ein Vielschreiber und ein Vielredner. Beim Kopp-Verlag, der vor allem durch die Veröffentlichung esoterischer und verschwörungstheoretischer Schriften, aber auch seine Veröffentlichung zu Ufologie oder Kreationismus bekannt und berüchtigt ist, sind allein 19 Werke aus Ulfkottes Feder (oder, wenn man ihm zuhört, sagt man besser: unter seinem Namen) im Angebot. Und er redet gerne, ob bei “Pegida“ in Dresden, deren von der rechtsextremistischen Partei Pro-NRW organisierten Ableger “Bogida“ in Bonn oder eben auf einem Neujahrsempfang der AfD in Kassel, aus deren Kreisen der örtliche “Pegida“-Klon “Kagida“ organisiert wird.
Aufreger: Ulfkotte hat nicht nur Fans
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Nun ist Ulfkotte allerdings alles andere als ein mitreißender Redner, ihm eine knappe Stunde zuhören zu müssen, erfordert schon ein hohes Maß an Durchhaltevermögen. Zumal auch das, was er zu sagen hat, nicht gerade zu den außergewöhnlichen Erweckungserlebnissen führt, doch dazu später mehr. Daher tat es der Lebendigkeit der AfD-Veranstaltung gut, dass unter den Zuhörern auch eine größere Zahl war, die erkennbar nicht zu den Fans Ulfkottes zählten. Nachdem diese Personen unter mehr oder meist weniger freundlichen Rufen der AfD´ler und körperlicher “Präsens“ des Sicherheitsdienstes des Saals verwiesen waren, schläferte der Redner das Publikum sichtbar erfolgreich ein.
Udo Ulfkotte
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Den größten Teil seines Vortrags gestaltete Udo Ulfkotte mit den Schilderungen seiner Arbeitsweise als Journalist, davon die längste Zeit bei der FAZ. Er ist einer derjenigen, die dem Goebbelschen Kampfbegriff von der “Lügenpresse“ zu neuer Konjunktur verholfen haben. Er schilderte, dass er sich wiederholt mit goldener Rolex, Platinmünzen, Reisen und anderen wertvollen Geschenken habe bestechen und zu einer dem jeweiligen Geber gewogenen Berichterstattung habe motivieren lassen. Auch sonst scheint seine journalistische Ethik nicht sonderlich ausgeprägt (gewesen?) zu sein. So erklärte er an diversen Beispielen, wie er sich Artikel von anderen habe diktieren lassen, ob vom BND, der CIA oder durch vorgefertigte Pressemeldungen. Eine Bemerkung am Rande an dieser Stelle: Dass Medien häufig auf Pressemeldungen von Agenturen oder diverser Organisationen zurückgreifen und diese als redaktionelle Beiträge veröffentlichen, ist ja keine neue, und schon gar keine aufklärerische Erkenntnis. Das mag man kritisieren, wie Ulfkotte unter dem Beifall der Anwesenden. Aber dann sollte man sich auch nicht,wie der Sprecher der Kasseler AfD, Manfred Mattis, gleichzeitig echauffieren, dass die (Lokal-)Presse die Pressemeldungen der AfD eben nicht eins zu eins abdruckt, in seiner Rede machte.
Mattis und PI News
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Es gibt übrigens noch einen bemerkenswerten Berührungspunkt zwischen Ulfkotte und dem Kasseler AfD-Sprecher. Bei den wöchentlichen “Kagida“-Kundgebungen ist Manfred Mattis regelmäßiger Hauptredner. Dabei tritt er hinter einem Transparent des rassistischen Hetzportals “PI News“ auf. Der Antisemitismus-Forscher Wolfgang Benz hatte bereits vor einigen Jahren bestätigt, dass es dort um “ um Volksverhetzung und Angriffe auf die Menschenrechte“ gehe. Auf diesem Portal ist Ulfkotte regelmäßiger Autor. Und anders als bei seiner vom Vokabular her eher gemäßigt gehaltenen Rede bei der AfD nimmt er dort kein Blatt vor den Mut. Dort hetzt er ungeniert gegen “Lügenmedien und Volksverräter“. Neben den ihm nicht genehmen Medien sind damit Politiker gemeint, die in seinen Augen wohl generell als kriminell zu betrachten sind: “Wir haben ja Politiker, die wegen Steuerhinterziehung vorbestraft sind, andere wegen Sexualdelikten, Trunkenheitsfahrten, Diebstahl oder beispielsweise auch Körperverletzung.“
Der moderne "Lügenpresse"-Erfinder
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Dass vieles von dem, was Ulfkotte in seinem auf der Veranstaltung von ihm mehrfach lobend erwähnten Buch “Gekaufte Journalisten“ als Beispiele erwähnten Vorfällen so gar nicht stattgefunden haben, hat Stefan Niggemeier in einer ausführlichen Kritik des Buchs durch einen Faktencheck dargelegt (“Die Wahrheit über die Lügen der Journalisten“, in: krautreporter.de). Niggemeier ist übrigens einer der Journalisten in Deutschland, die Ulfkotte als die Zukunft des Journalismus preist: “Journalisten als Eigenmarken, die auch ohne Verlage Geld verdienen können, weil man ihnen vertraut - die haben eine Zukunft. So wie im Medienbereich etwa Stefan Niggemeier.“ Also darf man den Faktencheck selbst unter den Maßstäben Ulfkottes ernst nehmen. Einmal ganz davon abgesehen, dass der Schluss, das eigene Verhalten sei symptomatisch für eine ganze Branche zwar populistisch, aber durch nichts gerechtfertigt ist. Niemand kommt doch auf die Idee, zu behaupten, alle Juristen seien kriminell, nur weil es darunter auch einig gibt, die es tatsächlich sind? Das lässt sich auf jede andere Berufsgruppe übertragen, warum sollte es bei Journalisten anders sein? Nur weil es für Ulfkotte eine normale Art und Weise war, Journalismus zu betreiben, muss das für andere noch längst nicht zutreffen. Belege oder gar Beweise dafür hat Ulfkotte jedenfalls keine vorgelegt, was ihn an entsprechenden Behauptungen aber nicht hindert.
Ulfkotte und Dittmer bei "Bogida"
Quelle: Screenshot Youtube
Nun muss man den Besuchern der Veranstaltung in Kassel zu Gute halten, dass sie Niggemeier Rezension nicht unbedingt gelesen haben werden. Aber, diese Frage sei erlaubt, warum nehmen sie einem Redner seine Geschichten als uneingeschränkt wahr ab, wenn er selbst x-mal beschreibt, dass seine Arbeitsweise als Journalist nichts mit Ethik und Redlichkeit zu tun hatte? Wie heißt doch eine alte Volksweisheit? “Wer einmal lügt, dem glaubt man nicht.“ Wenn solche Weisheiten selbst bei den Kämpfern für das christliche Abendland schon nichts mehr gelten, ja, bei wem denn dann? Und dass Ulfkotte auch heute Pressefreiheit wohl insbesondere als die Freiheit betrachtet, seine Sicht der Dinge darzulegen, konnte man bei seiner Rede bei “Bogida“ bestaunen. Als ihn nämlich die Veranstalterin Melanie Dittmer unterbrach und dazu aufforderte, die Anwesenden mögen doch die Fotografen und Kameraleute durch massiven Körpereinsatz (“Kommt nach vorne und drängt sie weg, Presseausweise interessieren uns nicht.“) an ihrer Arbeit zu hindern, stand Ulfkotte völlig ungerührt daneben, setzte seine Rede fort, während der von Dittmer mobilisierte Mob massiv gegen Pressevertreter vorging, bis die Polizei darauf hinwies, dass bei einer öffentlichen Veranstaltung Journalisten nicht vom Veranstalter an ihre Arbeit gehindert werden dürften. Ulfkotte interessierte das sichtbar nicht.
Quelle: heldmann.photography
Und in der Tat gibt es ja zahlreiche Beispiele dafür, dass es Ulfkotte auch heute nicht so ganz genau nimmt mit der journalistischen Redlichkeit. Er formt die Fakten schon mal ganz gerne so, dass sie in sein Weltbild passen. So zum Beispiel die Geschichte vom muslimischen britischen Busfahrer, der angeblich die Fahrgäste zum Aussteigen nötigte, um pünktlich beten zu können. Nachdem die Busgesellschaft diese Geschichte dementiert und darauf verwies, der Bewertungen und Schlussfolgerungen sei wegen erheblicher Verspätung aus dem Fahrplan genommen worden und der Fahrer habe in seiner zehnminütigen Pause gebetet, war das für Ulfkottes keineswegs ein Grund für eine Richtigstellung. Oder er erfindet sie auch mal, wenn es nichts zu verbiegen gibt. So verbreitete er 2011 in dem von ihm als “seriöse Informationsquelle“ angepriesenen Internetportal des Kopp-Verlags, die damals grassierende EHEC-Epidemie sei von orientalischen Erntehelfern ausgelöst worden. Diese hätten gezielt ihre Fäkalien in Kontakt mit den geernteten Lebensmitteln gebracht, um so einen “Fäkalien-Dschihad“ gegen die deutschen Verbraucher zu führen. Als wahre Ursache stellten sich später verunreinigte Sprossen eines Biobetriebs heraus, mit orientalischen Erntehelfern hatte das überhaupt nichts zu tun. Die Geschichte vom “Fäkalien Dschihad“ war nicht neu, er hatte sie drei Jahre zuvor schon einmal an gleicher Stelle, damals nur in Bezug auf das "Kampffeld" England, geschrieben.
Bestätigte Weltbilder
Quelle: heldmann.photography
Aber vielleicht ist es hier ja ebenso wie bei den Kundgebungen von “Pegida“ und Co. Es geht nicht darum, etwas Neues zu erfahren, sondern die eigenen Vorurteile bestätigt zu bekommen. Und so kann man getrost nach Hause gehen und sich sicher sein, dass man es ja schon immer gewusst habe mit der “Lügenpresse“, wenn das einer der Lügner selbst bestätigt. So war der Neujahrsempfang eine echte Win-Win-Veranstaltung. Die, überwiegend längst das Rentenalter erreichten Teilnehmer sehen sich darin bestätigt, dass früher alles besser war und sie es ja schon immer gesagt haben, die AfD hat ihre Existenzberechtigung “bewiesen“, weil die anderen Parteien diese “Wahrheiten“ verschweigen, und Ulfkotte hat mit seinem Werbeblock für kräftigen Umsatz für seinen Verlag und die eigenen Bücher gesorgt.
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