Politik
Kasseler Stadtverordnete beziehen Position gegen “Kagida“
Einstimmiger Beschluss
Kassel soll weltoffen bleiben (Quelle: vista-images)
GDN -
Während draußen erneut rund 80 Personen an der dritten “Kagida“-Kundgebung teilnahmen, um unter dem Slogan “Wir sind das Volk!“ für ihre fremdenfeindlichen Ressentiments zu demonstrieren, fasste die tatsächliche Vertretung der Kasseler Bevölkerung einen einstimmigen Beschluss für Toleranz.
Dass die Kasseler Stadtverordnetenversammlung in einer wichtigen politischen Frage einen einstimmigen Beschluss fasst, kommt nicht sonderlich häufig vor. Insofern ist allein diese Tatsache schon bemerkenswert. Denn neben der “Koalition“ aus SPD und Grünen stimmten auch CDU, FDP, Die Linke und ein fraktionsloser Stadtverordneter zu. Allein darin wird schon deutlich, wie wichtig es der politischen Repräsentanz der Bürger der nordhessischen Großstadt ist, nicht dem “Zusammenschluss aus rechtsextremen und ausländerfeindlichen Kleingrüppchen und Einzelpersonen“ die Meinungshoheit zu überlassen.
Der Beschluss lautet im Wortlaut:
In unserer Stadt leben etwa 200.000 Menschen. Die einen sind hier geboren, die anderen im Lauf ihres Lebens hergezogen. Wieder andere haben Krieg und Not in unsere Stadt verschlagen. Die Menschen unserer Stadt sind Christen, Muslime, Juden, Atheisten und Andersgläubige. Sie haben unterschiedliche Lebensplanungen und Vorstellungen von Partnerschaft und Familie. Sie sind Jung und Alt. Ein Drittel der in Kassel lebenden Menschen hat einen Migrationshintergrund. Großes und vielfältiges bürgerschaftliches Engagement und gezielte Integrationsmaßnahmen stärken in Kassel eine gelebte Vielfalt in allen Generationen! Diese Lebensqualität werden wir uns erhalten. Dafür sind wir bereit zu streiten und zu kämpfen.
Wir stehen für eine Stadt, in der jeder und jede sein Leben leben kann, ohne dabei andere in ihrer Freiheit zu beschränken. Damit das vielseitige und offene Kassel Realität wird und bleibt, müssen wir alle dafür arbeiten - jeden Tag. Dafür gehen wir ohne Vorbehalte und Ängste aufeinander zu, reden miteinander, hören einander zu und suchen gemeinsam nach Lösungen. Partizipation beginnt in Kassel schon bei den Kindern! Wir wenden uns gegen den Missbrauch von Ängsten in der Bevölkerung für politische Zwecke radikaler Parteien und Gruppierungen wie KAGIDA. Dieser Zusammenschluss aus rechtsextremen und ausländerfeindlichen Kleingrüppchen und Einzelpersonen geht es nicht um den Austausch von Argumenten, sondern in Teilen gezielt um die Verächtlichmachung von Flüchtlingen, Zuwanderern und deren Religionsausübung. Über das Zeichnen eines diffusen Angstbildes erhoffen sie sich Zulauf, ähnlich der AfD, die jetzt offensichtlich auch auf dieser Welle mitmachen möchte. Ein breites Bündnis aus Kasseler Parteien, den Religionsgemeinschaften, dem Deutschen Gewerkschaftsbund, dem Ausländerbeirat und weiteren Verbänden lehnt diese Gruppierung entschieden ab.
Wenn sich Menschen ernsthaft Sorgen über extrem radikale und verfassungsfeindliche Tendenzen machen, müssen alle demokratischen Kräfte diese ernst nehmen und deswegen sprechen wir uns auch gegen die pauschale Diffamierung von Menschen aus, die auf Demonstrationen ihr Recht auf freie Meinungsäußerungen ausüben. Das menschenverachtende Gedankengut KAGIDAs ist in Kassel nicht erwünscht und wir wollen ihre Propaganda nicht hören. Aber was den Ablauf von deren Kundgebungen angeht, halten wir uns an das Grundgesetz und das hohe Gut der Demonstrationsfreiheit.
“Alle gehören dazu! Kassel ist bunt und lebt Vielfalt in allen Generationen“ ist aus gutem Grunde der Titel des von der Stadtverordnetenversammlung einstimmig verabschiedeten Integrationskonzepts. Weiter heißt es: “Nicht zuletzt hat die deutsche Bevölkerung ebenfalls Mitverantwortung bei der aktiven Gestaltung des gemeinsamen Zusammenlebens und beim Abbau von Vorbehalten, die zu Fremdenfeindlichkeit und Diskriminierung führen können. An diesem gemeinsamen Zusammenleben arbeiten wir in Kassel seit vielen Jahren."
Bei den Gegenkundgebungen zu “Kagida“ waren zuletzt Repräsentanten von SPD, Grünen und Linken zu sehen, auch der Büroleiter des Oberbürgermeisters war zugegen. Nach dieser klaren und einstimmigen Positionierung des Stadtparlaments ist zu erwarten, dass bei der am kommenden Montag geplanten großen Demonstration und Kundgebung für ein weltoffenes, tolerantes Kassel, zu der unter anderem auch Gewerkschaften und Kirchen aufrufen, auch Vertreter der anderen Parteien teilnehmen werden.
“Kagida“ will jetzt dem Vorbild der Neonazi-Kampftruppe aus Kassel, “Sturm 18“, folgen und sich beim Kasseler Amtsgericht als Verein eintragen lassen. Darauf deutet jedenfalls die Formulierung im Impressum der Facebookseite hin. Dort heißt es “KAGIDA e.V. i.G. Bürgerinitiative“ (i.G. = in Gründung). Dagegen ist die Homepage, der ein rechtlich vorgeschriebenes Impressum fehlt, noch ohne Inhalt.
Der Kasseler Ableger von “Pegida“, das kristalliert sich inzwischen heraus, ist offensichtlich maßgeblich von der “Alternative für Deutschland - AfD“ gesteuert. Während bei der ersten Kundgebung der Kasseler AfD-Sprecher Manfred Mattis neben den beiden stellvertretenden Landesvorsitzenden der NPD, Lachmann und Jagsch, unter den Teilnehmern gesichtet wurde, war er bei den beiden anderen Kundgebungen Hauptredner. Und in einem Fernsehinterview hat er nun auch öffentlich gemacht, dass der als “Kagida“-Organisator firmierende Michael Viehmann ebenfalls Mitglied der AfD ist. Auch in Frankfurt am Main, wo sich ebenfalls ein Pegida-Klon “Fragida“ gebildet hat, ist die AfD mit ihm Boot, die Webseite fragida.de enthält zwar widerrechtlich kein Impressum, wird aber nach Recherchen des “Journal Frankfurt“ vom AfD-Mitglied Hans-Peter Brill betrieben.
Neben dem AfD-Landesverband Brandenburg zeigt sich der hessische als besonders aktiv auf dem äußersten rechten Spektrum. Nicht nur, dass die AfD die Pegida-Ableger in Kassel und Frankfurt steuert, ist der Landessprecher der AfD Konrad Adam besonders umtriebig, wenn es um fremden- und speziell islamfeindliche Aktivitäten geht. So hat er das Geiseldrama in Sydney als Vorwand benutzt, “Pegida“ zu rechtfertigen und nicht nur, wie diese, “Masseneinwanderung“ sondern generell die Einwanderung von Menschen moslemischen Glaubens abzulehnen. In einer Pressemeldung schreibt er: “Das (Geiseldrama) zeigt, dass es keiner Masseneinwanderung bedarf, um Menschen in Gefahr zu bringen. Ein Einzelner genügt.“ Der stellvertretende Vorsitzende der SPD, Ralf Stegner, nannte dies eine “ungeheuerliche Entgleisung“, mit der die AfD mal wieder ihren wahren ausländerfeindlichen Charakter zeige. Ein weiterer Sprecher der AfD Hessen ist der ehemalige Funktionär der “Republikaner“, Peter Münch.
Da das Kasseler “Bündnis gegen Rechts“ anläßlich der dritten “Kagida“-Kundgebung selbst keine Gegenkundgebung anmeldete, machte dies am letzten Montag kurzfristig eine “Privatperson“, wie der Polizeisprecher mitteilte. Zu der Kundgebung kamen rund 150 Personen, die während der Reden von Viehmann, Mattis und dem Querfrontler und Putinfan Victor Seibel lautstark mitteilten, was sie davon halten. Eine zweite Gruppe Nokagida-Aktivisten sorgte mit einer von der Polizei eingekesselten Sitzblockade dafür, dass der “Spaziergang“ von “Kagida“ auf die Gegenseite des Ständeplatzes umgeleitet werden musste.
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