Politik
Aufmarsch rechter “Retter des Abendlandes“ in Kassel verhindert
KAGIDA plant zweite Aktion
Gegen Rassismus und Ausländerfeindlichkeit (Quelle: vista-images)
GDN -
Ein obskures Bündnis namens “Kasseler gegen Islamisierung des Abendlandes - KAGIDA“ hatte für den 1. Dezember zu einer Kundgebung und Demonstration aufgerufen. Eine kurzfristig vom DGB Nordhessen und anderen Gruppen eines “Bündnisses gegen Rechts“ organisierte Gegenkundgebung fand zeitgleich statt.
Initiator von “KAGIDA“ ist ein Kasseler, der aus dem Umfeld der Hooligans stammt. Michael Viehmann hatte die Fahrten von ca. 30 Kasseler Hooligans zur Krawalldemo im November in Köln und nach Hannover organisiert. Nun versucht der ehemalige Eventmanager das (neu)rechte Lager von Hooligans, Wutbürgern, Verschwörungstheoretikern der “Montagswache“ bis hin zu Neonazis unter dem Vorwand, Widerstand gegen “Glaubenskriege auf deutschem Boden“ leisten zu wollen. Dieses Bündnis orientiert sich dabei an “Pegida“ in Dresden. Wie das ähnlich gelagerte Bündnis in Dresden hat auch Viehmann in seinem Aufruf die Parolen von NPD und AfD, Deutschland dürfe nicht das “Weltsozialamt“ sein, übernommen. Dass solche Behauptungen nichts mit der Realität zu tun haben, wie eine in diesen Tagen veröffentlichte Studie Wirtschaftsforschungsinstituts ZEW nachgewiesen hat, hindert die Hintermänner der “neuen Rechten“ nicht daran, sie ständig zu wiederholen.
Viehmann ist in der Vergangenheit bereits durch einige bemerkenswerte Eintragungen auf seinen Facebookprofilen (er hat gleich zwei, eines eher gemäßigt, das zweite deutlich offener hinsichtlich seiner politischen Haltung) aufgefallen, wie die “Frankfurter Rundschau“ recherchierte. Sie zitiert, inzwischen gelöschte Postings, in denen er z.B. die Bundeskanzlerin als “Vieh“ bezeichnete und ihre Steinigung forderte; er scheint hinsichtlich seiner Vorstellungen von (Selbst)justiz nicht weit von den angeblich von ihm bekämpften Islamisten entfernt zu sein. Und auch seine geistige Nähe zur NS-Ideologie versteckt er nicht, wenn er “Deutschland erwache“ fordert. Überraschend ist, dass sich trotz dieser kaum kaschierten extremen Haltung einige recht prominente Menschen aus Kassel und Umgebung in Viehmanns Freundeslisten auf Facebook finden, die rechtextremen oder islamophoben Fantasien völlig unverdächtig scheinen.
Dem Aufruf von “KAGIDA“ folgten rund 50 bis 60 Personen, darunter eine kleine Gruppe Kasseler Hooligans und einige, die anhand ihrer Kleidung unschwer der Neonaziszene zugerechnet werden dürften. Auf der anderen Seite des Kasseler Scheidemann Platzes waren dem kurzfristigen Aufruf von DGB und anderen Organisationen, die sich im “Bündnis gegen Rechts“ zusammengeschlossen haben, rund zehnmal so viele Personen gefolgt. Ziel, so kündigte ein Sprecher dieses Bündnisses an, sei es, “KAGIDA“ die Lust an ihrem als “Spaziergang“ angekündigten Aufmarsch zu nehmen. Dieses Ziel wurde erreicht. Nach einer kurzen Kundgebung, bei der Michael Viehmann die bekannten “Forderungen“ aus dem Aufruf wiederholte, und einem kurzen Statement eines namentlich nicht vorgestellten angeblichen niederländischen Gastredners entschieden sich die Verantwortlichen, den Marsch ausfallen zu lassen, weil die Polizei, die in großer Zahl beide Veranstaltungen begleitete, “die Sicherheit nicht garantieren“ könne.
Veranstalter Michael Viehmann gab sich zu Beginn der Veranstaltung große Mühe, den Eindruck zu verwischen, "Kagida" habe etwas mit Rechtsextremen zu tun. "Soweit ich weiß, sind unter den Organisatoren keine Nazis", meinte er. Mag ja sein, dass er sich nicht so sieht. Aber unter den Teilnehmern waren nicht nur, jedenfalls ihrem Outfit und ihrer Kleidung nach, einige unschwer dem äußerst rechten Spektrum zuzurechnende Personen, sondern auch Spitzenfunktionäre der hessischen NPD. Gesehen wurden Stefan Jagsch, laut NPD-Homepage stellvertretender Landesvorsitzender und Landesorganisationsleiter dieser Partei, und Daniel Lachmann, ebenfalls stellvertretender Landesvorsitzender und Landesgeschäftsführer. Beide kommen aus der NPD-Hochburg in Hessen, dem Wetteraukreis, und können wohl kaum den angeblich "besorgten Bürgern Kassels" zugerechnet werden.
Beim Abrücken der Kundgebungsteilnehmer, insbesondere der Gruppe der Hooligans, kam es zu einem Gerangel mit einer Gruppe “Antifaschisten“, das jedoch von der Polizei schnell wieder unterbunden wurde. Schon während der Kundgebung gab es einen kleinen Zwischenfall, als ein Teilnehmer aus dem Kreis der Rechtsextremisten permanent die anwesenden Journalisten fotografierte, was sich diese verbaten. Bekanntlich nutzen die rechtsextremen Kreise solche Fotos, um auf Facebook Steckbriefe von Fotojournalisten zu verbreiten, wie die Organisation freier Pressefotografen “Freelens“ kürzlich mitteilte. “Die (Neonazis) veröffentlichen Steckbriefe der Fotografen und rufen in ihren Beiträgen öffentlich zur Gewalt gegen Personen auf. Das liest sich dann so: »Da hilft nur denen die kamera im gesicht zu zertrümmern« oder »weggucken??? Draufhauen ja !« oder »Zum Abschuss freigegeben«“ zitiert Freelens.
Die Organisatoren von “KAGIDA“ haben trotz ihres bescheidenen ersten Auftritts nicht aufgegeben. Für kommenden Montag haben sie in Facebook zu einem “2. Spaziergang“ unter gleichem Motto aufgerufen. Das “Bündnis gegen Rechts“ hat ebenfalls angekündigt, für diesen Fall wieder zu einer Kundgebung zu mobilisieren. Kassel steht eine unruhige Adventszeit bevor.
Für den Artikel ist der Verfasser verantwortlich, dem auch das Urheberrecht obliegt. Redaktionelle Inhalte von GDN können auf anderen Webseiten zitiert werden, wenn das Zitat maximal 5% des Gesamt-Textes ausmacht, als solches gekennzeichnet ist und die Quelle benannt (verlinkt) wird.