Sport
Eine Ära zu Ende - das “Skate In“-Magazin erscheint zum letzten Mal
Niedergang eines einstigen Massensports
Letzter Titel einer regulären Ausgabe (Quelle: heldmann.photography)
GDN -
“Time to say goodbye“ steht auf dem Titel der in heute erschienen Ausgabe 2/2014 des einzigen im deutschsprachigen Raum verbliebenen Fachmagazins für den Inlineskatingsport. Nach vierzehn Jahren stellt “Skate In“ sein Erscheinen ein.
Das Gerücht, dass “Skate In“ mit der kommenden Ausgabe zum letzten Mal erscheinen würde, gab es schon beim wichtigsten Ereignis des Inlineskatingsports des Jahres, dem BMW Berlin Marathon. Doch von den dort anwesenden Herausgebern, Gaby und Dietmar Junginger, war dort dazu keine Bestätigung zu erhalten. Nun hat sich das Gerücht jedoch bewahrheitet. Die letzte Ausgabe ist heute an die Abonnenten ausgeliefert worden. Das Magazin blickt damit auf die vierzehn Jahre seines Erscheinens zurück und nimmt von der zuletzt immer kleiner werdenden, treuen Leserschaft Abschied.
Das Ende dieses Fachmagazins ist aber mehr als nur das weitere Aus einer Zeitschrift. Es ist ein Ausdruck des Niedergangs eines einstigen Massenphänomens Inlineskaten. Als “Skate In“ das erste Mal erschien, boomte dieser Sport. Es gab Anfang des Jahrtausends in jeder mittelgroßen Stadt Treffs von Inlineskatern, organisierte gemeinsame Ausfahrten und Nachtskaten. In München trafen sich dazu in den Sommermonaten gelegentlich mehr als 20.000 (!) Inlineskater, um in den Abendstunden über dafür gesperrte Innenstadtstraßen zu rollen. In Frankfurt, wo es beim Tuesday Night Skating in der Regel etwas flotter zuging, waren es zu den Hochzeiten oft auch deutlich mehr als 5.000, die Strecken von mehr als 30 Kilometern durch die Mainmetropole rollten. Diese Nachtskateveranstaltungen waren übrigens ein typisch deutsches Massenphänomen. In den USA, dem Land, in dem das Inlineskaten erfunden worden war, waren es zum Beispiel in New York zwischen 20 und maximal dreihundert Menschen, die sich bei ähnlichen Veranstaltungen im Central Park oder am Union Square trafen.
Und auch die sportliche Seite sah damals völlig anders aus als heute. Vor zehn, zwölf Jahren konnte man, wollte man mehr oder weniger professionell skaten, zwischen April und Oktober fast jedes Wochenende zu einem Speedskatingrennen in Deutschland fahren. Dabei gab es nicht nur bei den großen Stadtmarathons von Hamburg bis München und Köln bis Berlin integrierte Rennen, sondern auch viele “stand alone“-Skaterennen. Mit dem German Blade Challenge, später dem, inzwischen sich gerade noch mühsam haltenden, German Inline Cup oder dem Swiss Inline Cup mit grandiosen Veranstaltungen wie dem One-Eleven über rund 111 Kilometer rund um St. Gallen, gabe es renommierte Serien. Heute sind es nur noch ganz wenige Veranstalter, die die Tradition aufrechterhalten.
Außer in Berlin mit 2014 noch drei Rennen gibt es von den traditionellen Veranstaltungen nur noch den Osterlauf in Paderborn und die Rhein Main-Skate Challenge, integriert in das Radrennen am 1. Mai in Frankfurt. Daneben finden noch einige kleinere Veranstaltungen auf der Straße statt. Und selbst das weltweite größte und bedeutendste Inlinerennen, der Marathon in Berlin, wo gerade in diesem Jahr Bart Swings einen sensationellen Weltrekord aufgestellt hat (GDN berichtete), ist akut gefährdet. Die Veranstalter haben im Frühsommer in einem Aufruf aufmerksam gemacht, dass sich der Aufwand, die Millionenstadt an einem Samstagnachmittag für einige Stunden zu sperren, nur rechtfertigen lässt, wenn die Teilnehmerzahlen hoch genug sind. Die einst erreichten fast zehntausend haben sich nämlich inzwischen fast halbiert. Und ein Zurück auf den Sonntag mit Start vor den Läufern erlaubt die inzwischen erreichte Größe des Marathons nicht mehr.
Einst tummelten sich zahlreiche Hersteller auf dem Markt, neben dem Namensgeber Rollerblade gab es K2, Roces, Salomon, um nur mal einige der großen Firmen zu nennen. Heute ist außer Rollerblade nur noch die deutsche Firma Powerslide mit einem nennenswerten Repertoire an Skates und Zubehör auf dem Markt. Powerslide ist auch das einzige Unternehmen, das nach wie vor in den Sport investiert und mehrere Teams unterhält. Zu denen zählen dann auch die besten der Welt, wie der bereits erwähnte Weltrekordler Bart Swings, der sich mit seinem vierten Platz als bester Nicht-Niederländer über 5000 Meter bei den Olympischen Spielen inzwischen auch auf dem Eis einen Namen gemacht hat. Das scheint überhaupt ein Trend zu sein, viele einstige Speedskater auf Rollen wechseln ganz oder zumindest im Winter auf die Kufen. Auch der beste Deutsche, Felix Rijhnen, ist diesen Schritt gegangen. Nachdem die Versuche, Inlineskaten olympisch zu machen, vorerst gescheitert sind, war das wohl der einzig konsequente Weg, um den Sport weiterhin professionell ausüben zu können.
Ein Problem ist sicher von Beginn an gewesen, dass die Medien nur wenig von diesem attraktiven Sport wahrgenommen haben. Das hatte sicher auch mit dem Format zu tun. Es ist halt wenig attraktiv, wenn einige hundert oder tausend Skater starten und dann für mindestens eine Stunde verschwunden sind, bevor sie dann nach und nach wieder im Ziel eintreffen. In Berlin ließ sich das noch mit großem Aufwand darstellen, dort gab es zeitweise sogar Liveübertragungen des Marathons am Samstag im RBB. Dabei wurde der Sport dann auch in seiner ganzen Attraktivität vermittelt. Doch dieser Aufwand war nur machbar, weil die Infrastruktur für den Laufsport ohnehin vorhanden war. Für Medien und Zuschauer attraktiv sind dagegen Bahnrennen, vergleichbar mit dem, was man aus dem Eissport kennt. Seit Jahren gibt es im April in Groß Gerau das Kriterium, bei dem an drei Tagen die gesamte Weltelite am Start ist und spannenden Sport zeigt. In diese Richtung dürfte der Trend auch weiterhin gehen, das ist auch die einzige Chance, die erhoffte und längst überfällige Anerkennung des IOC irgendwann doch noch zu bekommen. Das dürfte auch die einzige Hoffnung sein, den langsamen Niedergang zu stoppen und durch mehr Medienpräsenz den Sport neu zu positionieren.
Aber so attraktiv das zum Zuschauen ist, ist diese Form des Inlineskatens nicht massenkompatibel. Bahnrennen sind etwas für Spezialisten und brauchen ein gezieltes Training, während jeder Inlineskater mit halbwegs guter Technik und mit etwas Vorbereitung in der Lage ist, 42 Kilometer in einer akzeptablen Zeit auf einem Stadtkurs zurückzulegen. Und damit schließt sich ein Kreis, der nun zum Aus des letzten verblieben Fachmagazins geführt haben dürfte. Keine Zeitschrift, und schon gar keine auf diesem Qualitätsniveau, lässt sich über einige hundert oder niedrige Tausend Abonnenten finanzieren. Es bedarf vor allem Anzeigen, die wiederum aber nur für die werbende Wirtschaft attraktiv sind, wenn sie auch eine ausreichende Verbreitung erfahren. Wenige Anbieter auf dem Markt und immer weniger Leser sind auf Dauer keine wirtschaftliche Basis. Auch die Verringerung der Ausgaben von einst sechs auf zuletzt zwei im Kalenderjahr reicht wohl zum Überleben nicht aus. Der Sport verliert damit nicht nur sein wichtigstes Sprachrohr und Medium, sondern auch einen Mittler zwischen Herstellern und Nutzern. Denn mit der Organisation von regelmäßigen Skatecamps zu Pfingsten auf dem Fläming Skatekurs und jährlichen Tests des neuen Materials hat “Skate In“ weit mehr gemacht, als nur über das Inlineskaten zu berichten. Es bleibt also nur, “Goodbye, Skate In“ und “Danke, Gaby und Dietmar Junginger, für euer Engagement und Durchhaltevermögen“ zu sagen.
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