Politik
DSGVO: Untätigkeit des deutschen Gesetzgebers gefährdet Öffentlichkeitsarbeit
EU-Norm tritt im Mai in Kraft
Die Zukunft der Konzertfotografie? (Quelle: heldmann.photography)
GDN -
Wie sehr etwas gut gemeintes in das Gegenteil umschlagen kann, zeigt das Beispiel der am 25. Mai diesen Jahres in Kraft tretenden Datenschutzgrundverordnung (DSGVO). Sie wurde am 14. April 2016 nach langer Debatte vom EU-Parlament beschlossen.
Mit der in drei Wochen in Kraft tretenden Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) wird das Recht auf informationelle Selbstbestimmung für die Bürger aller EU-Staaten normiert werden. Das, was bei uns inzwischen selbstverständlich ist, ist es in vielen anderen Staaten der EU noch längst nicht. Gerade für diese Menschen stellt die neue Norm einen Gewinn dar.
Dass das nicht nur Theorie ist, sieht man an den Reaktionen international agierende Datenkonzerne. So hat zum Beispiel Facebook die bisher in Irland lokalisierte Datenverwaltung eines Großteils seiner Nutzer in die USA verlegt, um das EU-Recht nicht für User anwenden zu müssen, die von außerhalb Europas kommen. Die veränderten AGB Facebooks, auf die derzeit alle Anwender dieses Datensammeltools in Deutschland hingewiesen werden, sind eine Reaktion auf die zukünftige neue Rechtslage. Wer sie nicht bis zum 25. Mai akzeptiert, verliert seinen Account bei diesem US-Unternehmen.
Doch die Neuregelung geht an einigen Stellen auch über das hinaus, was bisher bei uns galt. Das gilt vor allem für die Digitalfotografie und -videografie. Weil moderne Kameras neben den Bildern auch eine Menge weiterer Daten generieren und den Fotos oder Bewegtbildern zuordnen, z.B. Datum, Zeit, Ortsangaben, gilt bereits das Herstellen dieser Bilder als Erhebung personenebezogener Daten, wenn Menschen zu erkennen sind. Übrigens gilt das auch in Bezug auf den Fotografen, denn dessen Daten werden ebenfalls gespeichert - allerdings ist das eher nachgeordneter Relevanz. Da der Grundsatz gilt, dass jede Datenerhebung der Einwilligung der betroffenen Person bedarf, gilt dies auch für das Fotografiertwerden. Die Ausnahmen von diesem Grundsatz, wie etwa gesetzliche Verpflichtungen oder Genehmigungen zur Datenerhebung (gelten z.B. für Polizei, Geheimdienste), sind zwar bedeutsam, bleiben aber in dieser Betrachtung erst einmal außen vor.
Bisher haben wir in Deutschland eine Lex Specialis, das Kunsturheberrechtsgesetz (KUG), zu dem durch auslegende Rechtsprechung inzwischen eine große Rechtssicherheit besteht. Hiernach gilt der Grundsatz des Rechts am eigenen Bild. Soweit nicht durch ausdrückliche Erklärung oder konkludentes Handeln (offensichtliches Posieren für den Fotografen) eine Erlaubnis zur Veröffentlichung eines Fotos gegeben wurde, war auch bisher schon jede Person davor geschützt, dass mit Aufnahmen von ihr Missbrauch getrieben wurde. Die Erklärung konnte übrigens auch dadurch abgegeben werden, indem jemand durch Kauf einer Eintrittskarte für eine Sportveranstaltung oder ein Konzert die Allgemeinen Geschäftsbedingungen akzeptierte, in denen das Recht auf das eigene Bild eingeschränkt wurde. Weitere Ausnahmen bestehen für Personen der Zeitgeschichte, also z. B. Politiker, Künstler, Sportler usw. - dies kann auch eine ansonsten öffentlich nicht bekannte Person sein, wenn sie Teil eines zeitgeschichtlichen Ereignisses ist -, Menschen die als so genanntes “Beiwerk“ auf Fotos zu sehen sind, wenn also z.B. bei einer Landschaftsaufnahme irgendwo ein Radfahrer oder bei einer Architekturaufnahme eine Spaziergängerin zu sehen und auch zu erkennen sind, und bei Versammlungen, hierzu können auch Großveranstaltungen wie kürzlich zum Tag der Erde gehören. All das gilt nach der DSGVO so nicht mehr.
Nun hat der EU-Gesetzgeber jedoch die Möglichkeit eingeräumt, in Abwägung verschiedener Rechtsgüter eigene Regelungen zur Sicherung von Informations- und Meinungsfreiheit zu fassen. Schweden hat dies mit einer einfachen Klarstellung gemacht: “Die DSGVO sowie weitere Datenschutzgesetze finden in dem Umfang, wie sie gegen Presse- oder Meinungsfreiheit streiten, keine Anwendung.“ Österreichs Rechtsaußen-Regierung plant hingegen, das Kind mit dem Bade auszuschütten und die Regelungen für große Bereiche wie alle staatlichen Stellen (nicht aber für NGOs) und Unternehmen (nicht aber für Gewerkschaften) faktisch außer Kraft zu setzen. Das Land setzt dabei ein schlechtes Beispiel für die zunehmende Zahl von “illiberalen Demokratien“ a la Ungarn, Polen, Tschechien u.a.. Inwieweit das vor den EU-Gerichten Bestand haben wird, bleibt abzuwarten.
Doch zurück nach Deutschland. Hier wurde durch Änderung des Bundesdatenschutzgesetzes und von Ländergesetzen die Pressefreiheit gewahrt. Das bedeutet, dass Angehörige der klassischen Medien und in deren Auftrag tätige Fotografen und Filmcrews weiterhin im bisherigen Rahmen Aufnahmen machen und auch veröffentlichen können. So dürfen auch weiterhin bei Stadtmarathons oder im Fußballstadion Zuschauer zu erkennen sein, bei Pressekonferenzen die anwesenden Journalisten aufgenommen werden oder zeitgeschichtlichen Ereignissen Akteure und Beobachter ins Bild gesetzt werden. Wer dies bei gleichen Anlässen aber ohne Medienauftrag macht, darf das nicht. Und auch Pressefotografen dürfen ihre rechtmäßig erstellten Fotos nicht mehr in jedem Fall Dritten zur Verfügung stellen und damit ihre oft nur dürftigen Honorare aufbessern. Wenn es sich nicht mehr um Pressearbeit handelt, brauchen auch sie dazu eine schriftliche Einwilligungserklärung der fotografierten Personen. Und auch nicht zu vernachlässigen: Die erteilten Einwilligungen können jederzeit zurückgenommen werden. Die endgültige Löschung der Daten (= Aufnahmen) muss dokumentiert werden.
Während sich die rechtlichen Einschränkungen auf die Veröffentlichung bezogen, gelten sie jetzt schon für die Herstellung der Aufnahme. Dies gilt noch einmal verschärft, wenn Minderjährige auf den Aufnahmen zu sehen sind. Es sei einmal dahingestellt, ob man das in Zeiten der allgegenwärtigen Smartphonefotografie auch als Segen betrachten kann. Und auch wie die Durchsetzung erfolgen soll, ist kaum vorstellbar. Eine Berufsgruppe wetzt allerdings jetzt schon ihre Messer: die Abmahnanwälte werden der DSGVO und dem untätigen deutschen Gesetzgeber wohl ein Denkmal setzen.
Um die Dimension zu verdeutlichen, hier einige denkbare Fallbeispiele:
1. Ein Fotograf erhält einen vertraglichen Auftrag eines Hochzeitspaars, die Zeremonie und Feier zu fotografieren. Die vertragliche Ermächtigung bezieht sich nur auf die Vertragspartner. Alle anderen Hochzeitgäste müssten, um aufgenommen werden zu dürfen, eine ausdrückliche und formgerechte Einwilligungserklärung abgegeben, die der Fotograf aufbewahren muss. Übrigens gilt das auch für den Standesbeamten, sollte er auf einem Foto zu sehen sein. Angenommen, das Hochzeitspaar schafft es, von allen Gästen eine solche Erklärung zu bekommen, darf immer noch nicht das Personal des Restaurants, wo gefeiert wird, zu erkennen sein. Und auch die Band, die abends spielt, muss sich schriftlich einverstanden erklären, sich aufnehmen zu lassen.
Problematisch wird es, wenn sich einer der Gäste mit dem frischgebackenen Ehepaar nach einigen Monaten zerstreitet und dann seine Einwilligung zurückzieht. Dann müssen alle Aufnahmen, auf der diese Person zu sehen ist, endgültig gelöscht werden. Da sich die Rücknahme der Einwilligung allerdings nur auf die Zukunft bezieht, müssen keine Fotos aus dem erstellten Fotobuch entfernt werden.
2. Ein Bambinilauf im Rahmen eines Marathons. Natürlich wollen alle Eltern ihren Nachwuchs dabei filmen. Dürfen sie auch, solange kein anderes Kind zu erkennen ist. Es sei denn, deren Eltern hätte alle eine schriftliche Einwilligung gegeben. Das würde einen netten Papierkram zwischen den Eltern geben. Mal davon abgesehen, dass dann immer noch keine Zuschauer erkennbar sein dürfen. Völlig unrealistisch.
3. Footballmatch: Der Verein hat sich von allen Spielern beider Teams und den Schiedsrichtern, Trainern, Betreuern, den Eltern der Cheerleaders und den Securityleuten die Einwilligung geholt, Fotos auf der Homepage und im Clubmagazin zu veröffentlichen. Dummerweise hat einer der gegnerischen Spieler ein schweres Foul begangen, das Bild wird im Magazin veröffentlicht. Dieser Spieler ärgert sich, zieht seine Einwilligung zurück und fünf seiner Freunde in der Mannschaft tun das gleiche. Das Magazin kann eingestampft werden. Immerhin müssen bereits ausgelieferten Exemplare nicht eingesammelt werden.
4. Eine Gruppe Jugendlicher macht einen Ausflug und zum Abschluss ein Gruppenselfie der sechs bestens gelaunten Personen. So lange dieses Bild nur privat von den Beteiligten genutzt wird: Kein Problem. Aber wenn es etwa auf Facebook oder Instagram veröffentlicht wird, gilt das als kommerzielle Veröffentlichung. Dann kann man nur hoffen, dass alle auch die Einwilligung der Eltern zur Erfassung personenbezogener Daten haben; etwas , was eigentlich auch bisher schon notwendig war, nun aber womöglich mit Bußgeld geahndet werden könnte. Und die Einwilligung gilt nur bis zum Erreichen der Volljährigkeit, dann kann die betreffende Person selbst entscheiden, ob ihr das Foto inzwischen eher peinlich ist.
5. Konzert einer Band, egal ob in einem Club oder einer großen Arena. Ein TV-Team filmt und Pressefotografen machen Bilder. Das dürfen sie im Rahmen ihrer Medienarbeit, wenn das seitens des Veranstalters geregelt ist. Sie dürfen dabei auch Aufnahmen des Publikums machen. Nun möchte die Band aber auch eine Live-DVD von dem Auftritt veröffentlichen. Sie darf nur sich selbst filmen, nicht das Publikum.
6. Letztes Beispiel: Ein prominenter Politiker hält eine Rede vor einigen hundert Zuhörern. Ein großes Medienaufgebot filmt und fotografiert ihn und seine begeisterten Fans. Die Aufnahmen erscheinen am nächsten Tag in Zeitungen und abends in den TV-Nachrichten. Nun möchte der Politiker aber auch Aufnahmen seiner Anhänger auf Twitter, Facebook und Instagram veröffentlichen. Darf er nicht, weder die des TV-Teams (es sein denn über eine Verlinkung zu einem Nachrichtenstream) geschweige denn eigene Aufnahmen.
Spätestens dieses letzte Beispiel sollte doch unsere Politiker aufschrecken und ihnen den dringenden Handlungsbedarf verdeutlichen. Wenn ihnen schon die Öffentlichkeitsarbeit des vielgepriesenen Ehrenamts der Vereine, von Künstlern oder Unternehmen egal sind. Es gibt zwar auch den Ausnahmetatbestand des “berechtigten Interesse“. Doch wann und wie weit dieser unbestimmte Rechtsbegriff greift, wird erst im Laufe der Jahre die Rechtsprechung entscheiden. Sich darauf zu verlassen, anstatt die eigene Regelungskompetenz zur Ausgestaltung zu nutzen, ist kein Ruhmesblatt für unser Parlament. Noch ist Zeit. Der Bundestag muss nur - am besten durch eine Initiative aus seiner Mitte - regeln, dass die bewährten § 22 KUG - § 24 KUG Vorrang vor der DSGVO haben. Und zwar im bisherigen Maß und nicht ausschließlich für Presse und andere Medien.
Dieser Beitrag ist eine Meinungsäußerung und kein juristischer Fachbeitrag. Alle hier veröffentlichten Fotos, auf denen Personen zu erkennen sind, sind im Rahmen der Pressefotografie gemacht worden und auch zukünftig in diesem Rahmen weiter möglich.
Wer mehr zu den rechtlichen Feinheiten wissen will, dem ein Beitrag des Rechtsanwalts Lars Rieck zur Lektüre empfohlen: https://www.ipcl-rieck.com/allgemein/wissen-zur-dsgvo-7-tipps-fuer-fotografen.html
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